Interview Mai 2016

Patrick Roger - Präsident der Maison de l’Emploi et de la Formation du bassin de Strasbourg; Beauftragter für Beschäftigung und grenzüberschreitende Wirtschaftsförderung des Gemeinderates der Stadtgemeinschaft Strasbourg; Gründer des Versicherungsunternehmen RMT – Cabinet d’assurance in Strasbourg

Was fasziniert Sie am meisten an der Region Südlicher Oberrhein?
Diese Region hat das Potential ein lebendes Stück Europa zu sein, in dem die Bewohner ihren Alltag gemeinsam gestalten und die Grenze ganz selbstverständlich zum Leben und Arbeiten überschreiten. Die Möglichkeiten sind zahlreich und wir arbeiten seit der Gründung der Maison de l’Emploi vor 10 Jahren an dem Projekt eines gemeinsamen Arbeitsmarktes mit Partnern auf der französischen und auf der deutschen Seite des Rheins. Diese Region ist der perfekte Maßstab, um neue innovative Projekte zur grenzüberschreitenden Beschäftigung aufzubauen. Die vielen Arbeitssuchenden auf französischer Seite und der Fachkräftebedarf am Oberrhein zeigen, dass unser Ziel eines gemeinsamen Arbeitsmarktes noch nicht erreicht ist. Aber zusammen mit unseren Partnern entwickeln wir komplementäre Lösungen.
Um diese Lösungen zu konkretisieren und zu realisieren haben wir ein Interreg-Projekt auf die Beine gestellt. Das Hauptziel des Projektes ist es französische Arbeitssuchende über berufliche Chancen in der Ortenau zu informieren und diese bis zur Eingliederung in einem deutschen Unternehmen vorzubereiten und zu begleiten. Aber natürlich hat das Projekt auch konkrete Maßnahmen für deutsche Arbeitgeber vorgesehen, um deren Bedürfnisse an Fachkräften besser zu erfüllen. Dieses Projekt wird uns ermöglichen, innerhalb von drei Jahren, hunderten französischen Kandidaten Berufsmöglichkeiten in deutschen Unternehmen anzubieten. Zusammen mit den Kompetenzen und Mitteln unserer deutschen Partnern (Agentur für Arbeit, Wirtschaftsregion Offenburg Ortenau, Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau, Berufliche Schulen Kehl und BSW Anlagenbau und Ausbildung GmbH) können wir ohne Zweifel ein innovatives und effizientes Modelprojekt in unserer Region entwickeln.

Sie sind Zugezogene/r: Was fiel Ihnen zum Unterschied zu Ihrer Heimatregion am stärksten auf?
Seit Jahrzehnten lebe ich in Kehl und arbeite in Strasbourg. Jeden Tag überquere ich den Rhein und erlebe grenzüberschreitende Möglichkeiten und das Potenzial unserer Region. Das wäre nicht überall möglich. Heute bietet diese Region viele Gelegenheiten für grenzüberschreitende Projekte und Partner auf beiden Seiten des Rheins sind bereit zu diskutieren und lokale Maßnahmen für die wirtschaftliche Entwicklung einer gemeinsamen Region durchzuführen. Aus diesen Gründen, war es für mich auch wichtig, dass meine Kinder mit der französischen und deutschen Kultur aufwachsen und beide Staatsangehörigkeiten haben.

Prägnante Kennzeichen des hiesigen Arbeitsmarktes aus Ihrer Sicht!
Die Arbeitsmarktregion Strasbourg-Ortenau zählt mehr als eine Millionen Einwohner, die zusammen ihre Zukunft gestalten. Aber wie überall stoßen wir auf Probleme, die die wirtschaftliche Entwicklung dieser grenzüberschreitenden Region verlangsamen.
Der Südliche Oberrhein ist eine der dynamischsten Regionen in Deutschland, mittelständige Unternehmen der verschiedensten Branchen sind hier vertreten, ob Industrie und Logistik, Pharma- und Biotechnologien, Medien und Informationstechnik oder Dienstleistung. Die Unternehmen zeichnen sich durch Innovation und Wachstum aus. Allerdings beklagen sich diese regelmäßig über Fachkräftemangel.
Auf der französischen Seite des Rheins, ist Strasbourg eine weltoffene Stadt, wo nicht nur große französische und internationale Unternehmen ihren Sitz haben, sondern auch europäische Institutionen, Museen und kulturelle Einrichtungen, sowie eine der größten Universitäten Frankreichs ein Zuhause gefunden haben. Strasbourg hat sehr viele kulturelle und wirtschaftliche Vorteile, die sie zu einer der lebendigsten Städte Europas machen. Französische Arbeitssuchende haben interkulturelle Kompetenzen und viele sprechen Elsässisch: dieses Potenzial der elsässischen Arbeitskraft kann das nachhaltige Wachstum und die Entwicklung deutscher Unternehmen sichern.

Sie sind bei einer Institution tätig: Wenn Sie Unternehmer wären, wo lägen Ihre thematischen Schwerpunkte? (z.B. Personalpolitik usw.)
Als Gründer und Geschäftsführer in einem Versicherungsunternehmen (RMT Cabinet d’assurance) habe ich nicht einen einzigen oder mehrere thematische Schwerpunkte – ich betrachte das Unternehmen als eine Einheit. Alle Themen, sei es Personalpolitik oder Kundenbeziehungen, sind Schwerpunkte für mich, um die Leistung des Unternehmens und das Wohlergehen am Arbeitsplatz meiner Mitarbeiter zu sichern.
Außerdem ist für mich der Kontakt zwischen dem Unternehmen und seinem Umfeld in der Stadt sehr wichtig. Um die Entwicklung der Stadtviertel zu sichern, müssen auch Unternehmen dazu beitragen, sich in sozialen und kulturellen Aktivitäten ihres Umfelds zu engagieren und einzubringen. Deswegen, habe ich mein Unternehmen im Stadtviertel Neuhof in Strasbourg untergebracht – direkt vor Ort, können wir zu der Entwicklung und dem wirtschaftlichen Wachstum der Stadt beitragen. Und dies gilt nicht nur auf der städtischen Ebene – auch in der Region des Oberrheins tragen Unternehmen zu der Entwicklung des sozialen Lebens und der Kultur bei. Wenn Unternehmen sich in der grenzüberschreitenden Beschäftigung engagieren, übernehmen sie auch die Verantwortung der Entwicklung unserer gemeinsamen Region und die langfristige Sicherung der Fachkräftebasis.

Wenn Sie nicht die Position bekleiden würden, die Sie durch Ihren Lebensweg innehaben: Welchen Beruf würden Sie gerne ausüben, bzw. in welcher Branche wären Sie gerne tätig?
Ich bin von unseren aktuellen Projekten passioniert und würde diese nicht austauschen. Ich liebe es mit Menschen zu diskutieren, mit Ihnen Ideen und Projekte zu entwickeln und durchzuführen. Auch in meiner Freizeit ist der Kontakt zu Menschen das Wichtigste für mich.
Als Präsident des soziokulturellen Zentrums Neuhof in Strasbourg, bestehe ich darauf, dass der Kontakt zwischen den Menschen des Stadtviertels im Mittelpunkt aller Aktivitäten steht.

Was fällt Ihnen bei dem Satz „Wir hier im Süden!“ ein?
Ich denke die Grenznähe unserer Region ist ein ganz besonderes Potential, welches Investitionen lohnt. Und nicht zu vergessen: als Bewohner der Grenzstadt Kehl bin ich auch ganz persönlich ein Verfechter der deutsch-französischen Freundschaft und Liebhaber unserer Grenzregion.
Allerdings muss man anmerken, dass für Frankreich das Elsass gar nicht im Süden liegt. Das ist ein interessanter Unterschied – unsere Nachbarregionen sind sehr nah an einander, aber werden von den zwei Ländern unterschiedlich gesehen: der Südlicher Oberrhein liegt im Süden Deutschlands, aber das Elsass liegt im Osten Frankreichs. Und trotz dieser Unterschiede finden wir einen gemeinsamen Weg innovative Projekte aufzubauen und grenzüberschreitende Zusammenarbeit täglich durchzuführen.