Interview August 2016

Dorothea Störr-Ritter - Landrätin Breisgau-Hochschwarzwald

Was fasziniert Sie am meisten an der Region Südlicher Oberrhein?
Geboren am Oberrhein und seit einigen Jahrzenten wieder hier wohnhaft bin ich bei dieser Frage natürlich befangen. Leichter beantworten könnte ich, was mich hier nicht fasziniert. Dazu fällt mich nämlich nichts ein. Faszinierend für uns ist sicherlich die Grenzlandsituation zu Frankreich und der Schweiz. Hier leben Menschen aus drei verschiedenen Nationen mit unterschiedlichen historischen Prägungen und passen doch zusammen. Der alemannische Sprachraum verbindet genauso wie die geographische Lage im Herzen Europas. Das Leben der Menschen wurde seit Jahrhunderten geprägt durch die Auseinandersetzung mit dieser Lage, dem verbindenden Rhein als Schifffahrtsweg und den geographischen und klimatischen Vorgaben. Unter diesen Bedingungen waren und sind Lebensräume zu schaffen, in denen die Menschen wohnen können und Arbeit finden. Dies ist unter großen Anstrengungen mit enormer Leistungsbereitschaft, mit Erfindergeist und immer wieder Anpassung an neue Rahmenbedingungen gelungen. Und das gilt für die Menschen bis heute. Als Ausgleich zur Arbeit haben aber auch bis heute Lebensfreude und Genuss am Oberrhein schon immer einen hohen Stellenwert. Nicht zuletzt deshalb sind wir immer noch eine begehrte Zuzugsregion. Daran hat auch der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald auch als familienfreundlicher Naherholungsraum einen beachtlichen Anteil, was mich natürlich freut. Und dabei muss es bleiben!

Prägnante Kennzeichen des hiesigen Arbeitsmarktes aus Ihrer Sicht!
Mit dem Arbeitsmarkt in der Region Südlicher Oberrhein bringe ich verschiedene Merkmale in Verbindung, zum Beispiel eine in den letzten Jahren sehr gute Arbeitsmarktentwicklung, die sich 2016 in Arbeitslosenquoten um 3 Prozent in den drei Landkreisen und von unter 6 Prozent in der Stadt Freiburg niederschlägt. Alles in allem konnte die Arbeitsplatzentwicklung in der Region mit den ungebrochen zunehmenden Zahlen der Wohnbevölkerung und der Erwerbspersonen gut Schritt halten. Ein weiteres Merkmal ist gerade im Raum Freiburg die relativ geringe Konjunkturanfälligkeit des Arbeitsmarkts. Rezessionen wirken sich dank des hohen Anteils tertiärer Arbeitsplätze geringer auf die Arbeitsplätze aus als im Bundes- oder Landesdurchschnitt, das Gleiche gilt natürlich spiegelbildlich für konjunkturelle Erholungsphasen. Nicht so erfreulich dagegen ist, dass die Fachkräftenachfrage in vielen Wirtschaftszweigen in der Region nicht befriedigt werden kann. Weite Teile der Industrie, aber auch Hotellerie, Speditionen oder die Gesundheits- und Pflegebranche sind bereits dramatisch betroffen. Auch bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen hat sich der Markt gedreht und viele Ausbildungsstellen können nicht besetzt werden. Diese Entwicklungen machen mir Sorge. Jede Initiative gleich welcher Art, um hier gegenzusteuern, ist unabdingbar und hilfreich. Als Schulträger sind wir aufgefordert, alle sich über eine enge Verzahnung von Wirtschaft und Schulen ergebende Möglichkeiten zu nutzen und auszubauen. Für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald als in weiten Teilen ländlich geprägten Umlandkreis gelten einige spezifische Feststellungen:
• Der Dienstleistungsanteil ist hoch, stark dominiert durch das Gesundheitswesen und durch das Gastgewerbe. Diese beiden Zweige herausgerechnet ist der Dienstleistungsbesatz eher niedrig. Vor allem für die produktionsorientierten Dienstleistungsarbeitsplätze ist die Großstadt der bevorzugte Standort.
• Wir haben eine starke Industrie, die – fast untypisch – nicht Arbeitsplätze abbaut, sondern von kleinen Konjunkturdellen abgesehen seit Jahren aufbaut. Es geht überwiegend um kleine und mittlere Betriebe, häufig in Familieneigentum, die sehr innovativ und oft unter den Marktführern ihrer Branche zu finden sind. Ein guter Branchenmix wirkt ausgleichend und hält die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt betrachtet stabil.
• Durch das Fehlen von Hochlohnbranchen wie dem Automobilbau liegen volkswirtschaftliche Kennziffern wie die Bruttowertschöpfung oder die durchschnittliche Lohn- und Gehaltssumme je Beschäftigten im Landkreis eher im unteren Bereich.

Wenn Sie Unternehmer wären, wo lägen Ihre thematischen Schwerpunkte? (z.B. Personalpolitik usw.)
In meiner Zeit als Abgeordnete und Rechtsanwältin war ich sechs Jahre Präsidentin des Bundes der Selbständigen in Baden-Württemberg, einem Verband mit damals ca. 30 000 kleinen und mittleren Unternehmen als Mitglieder. Vertraut war mir der Alltag einer Unternehmerfamilie schon seit meiner Kindheit durch den Handwerksbetrieb meines Vaters und das Kunstgewerbegeschäft meiner Mutter. Seite dieser Zeit haben sich der Alltag in den Betrieben und die Wettbewerbssituation für Betriebe sehr stark verändert. Während es vor 50 Jahren fast ausreichte, Qualität anzubieten, spielen heute die ständige Hinterfragung von Kundenwünschen und die dauerhafte Anpassung an diese, eine der größten Rollen. Kontinuierliche Marktforschung ist für alle Unternehmen ein „Muss“. Ebenso natürlich das richtige Marketing. Um auf alle Veränderungen immer rechtzeitig und aktiv eingehen zu können, würde ich einen ständigen Innovationszirkel aus Geschäftsleitung und Führungskräften einrichten. Dabei ist am aktuellsten sicher das Thema „Unternehmen im digitalen Wandel“ und dies nicht nur als Frage für Arbeitsvorbereitung und Produktion sondern auch als bedeutende Frage im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Mitarbeiter und die Unternehmenskultur. Spannend!