Interview November 2016

Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Winfried Lieber - Rektor der Hochschule Offenburg

Was fasziniert Sie am meisten an der Region Südlicher Oberrhein?
In erster Linie ist es die Attraktivität der Region, die aus vielen Facetten gespeist wird und mich deshalb in ihrer Gesamtheit so fasziniert. Leben in der genauso beeindruckenden wie abwechslungsreichen Landschaft am Oberrhein im Dreiländereck Deutschland, Schweiz und Frankreich ist ein einmaliges Qualitätsmerkmal, das ich immer wieder gern aufs Neue erfahre. Der Schwarzwald lädt zu ausgedehnten Touren mit dem Mountainbike ein, das Oberrheingebiet mit seinen hübschen Städten und Orten steht für die kulturelle Vielfalt und eine abwechslungsreiche Geschichte.
Hinzu kommt das Privileg, in einer der bundesweit stärksten Wirtschaftsregion mit höchst erfolgreichen Unternehmen, die meist mittelständisch geführt sind und unter denen sich zahlreiche Weltmarktführer befinden, arbeiten zu dürfen. Gerade dieser Aspekt beeinflusst meine Arbeit in ganz besonderer Weise, denn eine regionale Hochschule wie die Hochschule Offenburg ist von einem engen Dialog und einer vielseitigen Zusammenarbeit mit den Unternehmen zur Förderung der beiderseitigen Attraktivität von Wirtschafts- und Hochschulstandort abhängig. Und dabei gilt eben, je erfolgreicher die Unternehmen, umso größer ist unser Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Hochschulstandorten. In wenigen anderen Regionen Europas sind die wirtschaftlichen Aussichten so positiv wie in unserer Region.

Sie sind Zugezogene/r:
Was fiel Ihnen zum Unterschied zu Ihrer Heimatregion am stärksten auf?

1992 bin ich mit meiner Familie aus der offiziell „schönsten Region Deutschlands“, dem Landkreis Starnberg, hierher in die Ortenau gezogen. Angesichts der herrlichen Landschaft zwischen Rhein, Reben und Schwarzwald trat anstelle der anfänglichen Skepsis schnell die Begeisterung für Land und Leute. Die Lebensqualität ist unvergleichbar einzigartig – nur der See fehlt noch ab und zu.
Ein ganz grundsätzlicher Unterschied liegt natürlich darin, dass das Leben in einer Großstadt spürbar hektischer ist als in einem doch eher ländlich geprägten Raum. „A city that never sleeps“ kann man mögen, muss es aber nicht. Andererseits punktet natürlich eine Metropole wie München bei vielen anderen Kriterien wie Infrastruktur, Kulturangeboten bis hin zu einem gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr.

Prägnante Kennzeichen des hiesigen Arbeitsmarktes aus Ihrer Sicht!
„Köpfe“ sind der Goldstandard im Innovationsgeschehen einer Region. Köpfe, das sind hoch-qualifizierte Fachkräfte, Techniker, Meister, betrifft aber auch angelernte und möglicherweise sogar ungelernte Kräfte. Nun, Regionen stehen im Wettbewerb, das ist sicherlich nichts Neues – aber angesichts des demografischen Wandels und des internationalen Wettbewerbs um Arbeitskräfte wird sich diese Entwicklung auch am Südlichen Oberrhein verschärfen. Mitkoppelnd wirken sich aktuell besonders stark der Wandel beziehungsweise die Megatrends in Wirtschaft und Technologien aus. Nehmen Sie beispielsweise nur die Themen Big Data, Digitale Technologien oder additive Fertigungsverfahren.

Sie sind bei einer Institution tätig:
Wenn Sie Unternehmer wären, wo lägen Ihre thematischen Schwerpunkte? (z.B. Personalpolitik usw.)

Hochschulen sind heute weitgehend autonom. Sie entscheiden eigenständig im Rahmen ihrer Governancestruktur und der Landeshochschulgesetze über alle Belange ihrer Leistungsbereiche in Lehre, Studium, Weiterbildung sowie Forschung und Entwicklung. Die Hochschule Offenburg ist heute ein Unternehmen mit fast 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Budget liegt bei etwa 40 Millionen Euro jährlich, wovon aber lediglich ein Drittel als Grundfinanzierung gesichert ist. Deshalb korrespondiert die unternehmerische Verantwortung eines Hochschulrektors für alle profilbildenden Schwerpunkte einschließlich deren Finanzierung schon lange nicht mehr mit der ohnehin angestaubten Vorstellung eines Behördenleiters. Mit anderen Worten: Die Frage, ob ich gern Unternehmer wäre, stellt sich mir gar nicht. Eine Hochschule ist zwar kein Unternehmen, muss aber unternehmerisch denken – allem voran der Rektor.

Wenn Sie nicht die Position bekleiden würden, die Sie durch Ihren Lebensweg inne haben:
Welchen Beruf würden Sie gerne ausüben, bzw. in welcher Branche wären Sie gerne tätig?

Auch nach vier Jahren als ordentlicher Professor, vier Amtszeiten mit nun fast 20 Jahren als Rektor denke ich immer noch gern an meine Tätigkeit in der Industrie zurück. Die Arbeit im Führungskreis eines Konzerns auf dem Gebiet der Telekommunikationstechnik hat mir sowohl von der fachlichen Ausrichtung als auch von der hohen Verantwortung stets Freude, Zufriedenheit und Erfüllung bereitet – diesen Beruf habe ich gern ausgeübt. Ich könnte mir schon vorstellen, meine damalige Arbeit wieder aufzunehmen Die Bedeutung von schnellen Datenautobahnen ist in Zeiten von Internet und Industrie 4.0 nur noch interessanter geworden.

Was fällt Ihnen bei dem Satz: „Wir hier im Süden!“ ein?
Savoir-vivre.